Individualpädagogik / § 35 SGB Vlll

Vorwort

Im Spektrum der Hilfen zur Erziehung nehmen individualpädagogische Hilfen eine besondere Stellung ein. Während (fast) alle anderen pädagogischen Interaktionen in einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen oder im System der Familie erfolgen, steht hier einer Fachkraft ein Kind bzw. ein Jugendlicher gegenüber. Damit kommt der individuellen  Passung eine ganz besondere Bedeutung für die Wirksamkeit der Hilfe zu.  Beide Seiten müssen sich ohne wenn und aber auf das Abenteuer einlassen und Konflikte und Krisen gemeinsam lösen. Damit entfalten diese Hilfen aber auch ein ganz spezifisches Potenzial. In aller Regel sind besonders belastete Kinder und Jugendliche betroffen –  Kinder und Jugendliche, die bereits das gesamte Hilfearsenal hinter sich haben und bei denen die Individualpädagogik als finales Rettungskonzept zum Einsatz kommt. In der Regel ist die individualpädagogische Hilfe nur ein Baustein in einem längerfristigen Hilfeprozess, der auf Verselbstständigung zielt. Der Gesetzgeber des KJHG hat in §35 die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung als speziellen Hilfetyp geregelt. Durch das Konzept der 1:1 Betreuung werden die soziale und emotionale Persönlichkeitsentwicklung sowie ein angemessenes Sozialverhalten gefördert. Das Kind bzw. der Jugendliche erlebt, wie es sich anfühlt, wenn man geschätzt, beachtet, gefördert und auch gelenkt wird. Sichere Beziehungsangebote schaffen den Rahmen, in dem neue Verhaltensmuster ausprobiert werden können. Werte und Normen werden vermittelt und schaffen ein Umfeld, das dem Kind/Jugendlichen Halt und Orientierung gibt. Es werden konstruktive Regeln und Konfliktlösungsmuster aufgezeigt, die der junge Mensch annehmen und in seinen Alltag übernehmen kann. 

 

Handlungskonzept und methodische Ansätze

Individualpädagogische Maßnahmen haben sich zu einem eigenständigen, bedeutsamen Segment der Hilfen zur Erziehung entwickelt. Sie bieten für eine zahlenmäßig eher kleine, in ihrer Funktion für das Jugendhilfesystem dennoch bedeutsame Gruppe deutlich belasteter, aber auch die Gesellschaft belastende Kinder und Jugendliche geeignete Betreuungssettings auf Zeit. Dabei ist die heutige Individualpädagogik keine neue pädagogische Richtung, auch keine in sich geschlossene Theorie. Es handelt sich vielmehr um einen aus den jahrelangen praktischen 1:1-Betreuungserfahrungen im In- und Ausland entlang den Grenzen der Jugendhilfe entwickelten pädagogischen Ansatz. Daraus hat sich eine immer wieder reflektierte, praktische Handlungstheorie entwickelt. Diese bedient sich besonders ausgewählter  Prinzipien einer subjektorientierten, lebensweltlichen Pädagogik. Sie weist zudem Einzelelemente des Erfahrungslernens und der Erlebnispädagogik auf. Mein Handeln ist an humanistischen Grundwerten als Leitbild orientiert. In einer Gesellschaft, in der die Anforderungen an den Einzelnen zunehmend im Funktionieren zu finden sind, versuche ich Lebens-, Lern-und Entwicklungsräume zu schaffen, in denen es dem Kind und Jugendlichen möglich ist zu wachsen und das nach seinen eigenen Gesetzen. Ich sehe den Jugendlichen als einen selbst bestimmten Menschen, der in einem Höchstmaß  an der Entwicklung von Zielen und der Gestaltung von Hilfeformen partizipiert werden soll. Die logische Schlussfolgerung ist, dass die Zusammenarbeit mit dem zu Betreuenden nur auf gegenseitiger freiwilliger Basis erfolgen kann. Meine Hilfeformen legen den Schwerpunkt auf individuelle bedarfsgerechte Ausgestaltung. Art, Form und Umfang der Hilfen werden zeitnah und konkret dort entwickelt, wo sie gebraucht werden. 

Ressourcenorientierung und systemische Sicht

Gerade wegen der ungünstigen Ressourcenbilanz ist eine ressourcenorientierte Arbeit die unabdingbare Voraussetzung für eine gelingende Betreuung. Eine systematische Erkundung der vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen auf allen Ebenen (Ressourcenbilanz) schafft einerseits erst die Voraussetzung für eine gezielte Förderung, sie hilft aber auch, zusammen mit dem Jugendlichen den Fokus auf vorhandene individuelle Ressourcen zu lenken, an diese anzuknüpfen und damit Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Kinder und Jugendliche müssen ein Gefühl für ihre eigenen Ressourcen, für ihr gesamtes Potential bekommen, sich selbst in ihren Stärken wahrnehmen, die sie für eine aktive, kontinuierlich-stabile Alltagsgestaltung dann nutzbar machen können.

Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugung

Im Zusammenhang mit dem fragilen Selbstbild und wenig ausgeprägtem Selbstbewusstsein der in individualpädagogischen Maßnahmen betreuten Jugendlichen, sollen in der pädagogischen Arbeit viele Gelegenheiten geschaffen werden, bei denen die Jugendlichen die Wirksamkeit des eigenen Handelns konkret erleben können. Durch solche Erfahrungen wächst die persönliche Kontrollüberzeugung, eine Vorstellung davon, dass und wie ich durch mein eigenes Handeln die Bedingungen und Perspektiven meines Alltags selbst bestimmen kann. Die Entwicklung solcher Kontrollüberzeugungen ihrerseits selbst ist ein Erfolgserlebnis und setzt Motivation und Kräfte frei, die eigenen Belange selbst in die Hand zu nehmen und Verantwortung für sich zu tragen. Hier kann Krise zur Chance werden! Für solche Lernprozesse sind partizipative Grundstrukturen der Maßnahme und eine umfassende Beteiligung an der Entscheidung über Regeln, Strukturen und Aktivitäten im Alltag der Betreuung nicht nur wichtige Voraussetzungen, sondern auch bestens geeignete Lernfelder.

Der Jugendliche als selbstbestimmter Mensch

In konstruktivistischer Betrachtung verstehe ich den Jugendlichen als eigenverantwortliche und autonom handelnde Person und insofern einen gleichberechtigten Partner. Die Betreuungsziele werden partizipativ mit ihm besprochen und vereinbart. Dabei lege ich Wert darauf, dass die Ziele im Sinne des Case Managements möglichst konkret formuliert und auf die Handlungsebene heruntergebrochen werden. Jugendliche sind bereit zu kooperieren, wenn sie vertrauen können, dass sie mit ihren eigenen Anliegen gesehen und gehört werden.

 

Freiwilligkeit

Da ich die Kinder und Jugendlichen als gleichberechtigte Partner sehe, basiert meine Zusammenarbeit mit ihnen folglich auf gegenseitiger Freiwilligkeit und dem Grundgedanken der Partizipation. Entsprechend ihrem jeweiligen Entwicklungsstand, ihren wachsenden Fähigkeiten, Ressourcen und Bedürfnissen werden die Kinder und Jugendlichen an allen sie betreffenden Angelegenheiten direkt beteiligt (§8 Abs.1, i.V.m. §9, Nr. 2 SGB Vlll).

 

Tiergestützte Pädagogik

Die emotionale und die soziale Intelligenz werden durch empathisches Interagieren mit anderen Lebewesen gefördert. Tiergestützte Pädagogik erhält die intrinsische Motivation und stärkt die Überzeugung von eigener Kompetenz. Ebenso wie bei der therapeutischen wird auch in der pädagogischen Arbeit mit Tieren das Modellernen gefördert, eine Lernform, der in der Vorschulzeit und in der Grundschule hohe Bedeutung zukommt, und die in der gesamten Biographie für sensomotorische Prozesse und für Formen der sozialen Interaktion bedeutsamer erscheint als das kognitive Lernen. Tiergestützte Pädagogik baut ebenfalls darauf, dass gleichsam unterhalb des kognitiven Lernens liegende Motivationen und Bereitschaften angesprochen werden.

 

Erlebnispädagogischer Aspekt

Zur individuellen Ausgestaltung des jeweiligen Settings treten dann weitere, bedarfsangemessene Einzelaspekte hinzu. Unter diesen kann auch ein erlebnispädagogisches Moment sein. Bis heute enthalten viele individualpädagogische Angebote erlebnispädagogische Elemente. Beides ergänzt sich und lässt sich gut kombinieren. Diese Partnerschaft ist jedoch nicht zwingend. Sie kommen häufig dann zum Einsatz, wenn ganzheitliche, handlungsorientierte Konzepte gefragt sind, in denen Erlebnisse zu nachhaltigen Erfahrungen heranreifen können, durch die wiederum Veränderungen initiiert und unterstützt werden. Ein intensives Erlebnis in ungewohnter Umgebung soll ein Moratorium gegen die Verschärfung von sozialer Ausgrenzung und Isolation sowie die Chance zur Neuorientierung und zum Erfahren grundlegender sozialer Bezüge schaffen. Dabei stehen folgende sieben Charakteristiken der Erlebnispädagogik im Vordergrund:

  1. Learning by Doing: eine handlungsorientierte Methode; der Prozess, das Unterwegssein, die Suche sind wichtig. Die eigene Zukunft wird als gestaltbar erlebt. Erst das Tun selbst setzt die Maßstäbe, auch die handwerkliche Bildung im Sinne von Kurt Hahn
  2. Lernen durch die Sinne: Ansprechen der Vielfalt aller Sinne über die natürliche Umwelt
  3. Lernen durch Kopf, Herz und Hand: Ganzheitlichkeit, Förderung des jungen Menschen als Persönlichkeit aus der Ganzheitsperspektive
  4. Lernen durch Muße: Entschleunigung, um der schöpferischen Pause Raum zu geben
  5. Lernen am Beispiel: Die Frage des Transfers: Handeln und Wirkung werden Verhalten und Erfolg gegenüber gestellt
  6. Lernen durch Erleben: gilt als pädagogisches Axinom: Durch persönliches Erleben gräbt sich das Gelernte tiefer in die Persönlichkeit ein
  7. Lernen und Heilen: Sich in der Natur bewegen, in ihr zu ruhen wird als heilsam angesehen. Hier ist der erlebnispädagogische Aspekt und Kontext vergleichbar mit einem therapeutischen Prozess.

Gerade der Gesichtspunkt des kontrastiven Outdoor-Erlebnislernens (vor allem über sportliche Aktivitäten wie Bogenschießen, Klettern und Langstreckenwanderungen) wird besonders in unserer naturnahen Region stark in den Fokus genommen. Hier können beispielsweise psychische „Verhärtungen“, lange verdrängte Kränkungen und/oder schmerzliche Erinnerungen aufbrechen und durch positiv besetzte Erlebnisse in der Natur pädagogisch begleitet werden.

 

 

Kosten

69.-/Std  für die Einzelmaßnahmen, zzgl. 30 Cent/gefahrener km 

45.-/Std Beratungshonorar für die Eltern, zzgl. 30 Cent/gefahrener km

 

(Preise gültig bis 31.12.2023)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen